Toiletten – Poesie
Toiletten – Poesie

Toiletten – Poesie

Die Schultoiletten unseres Gymnasiums kann man längst nicht mehr als einfache Einrichtung bezeichnen; als Mittel zum Zweck. Sie bieten Schüler*innen Freiraum, um sich künstlerisch und kreativ auszutoben und bringen so manchen Besucher sicher zum Schmunzeln. Denn an den Wänden der Kabinen findet man zwischen zahlreichen Kritzeleien oftmals auch humorvolle Sprüche, lange Lehrerlisten und außergewöhnlich gute Zeichnungen über die jeder Lehrer erstaunt wäre. Was bewegt die Schüler*innen zum, wie es die Schulleitung betiteln würde, Rumschmieren im öffentlichen Raum? Warum gerade an diesem Ort? Und wer kommt auf die Idee, sich hingebungsvoll auf einer Toilettentür zu verewigen? Im Grunde ist das wohl die einzige Möglichkeit, Aufmerksamkeit bei möglichst vielen Personen zu erregen, ohne sich besonders anstrengen zu müssen. Rein in die Kabine, Stift raus, schnell was aufschreiben, -malen und weg ist man. Um den Künstlerinnen und Künstlern, die die Schule besuchen, Raum zu geben, habe ich ausgewählte Werke abgelichtet: Toiletten-Poesie eben!

Schon wenn man die Toilette betritt und sich die Hände wäscht, fallen einem Sticker auf; am Seifenspender, Handtuchgerät oder sogar Spiegel. Sie wurden dort platziert, um Bewusstsein für verschiedene Inhalte zu schaffen: Kinder- und Menschenrechte, Rassismus-Bekämpfung und Fridays for Future sind Themen, die unsere Jugend bewegen. Ein gutes Mittel, um den einen oder anderen für wenige Augenblicke zum Stehen bleiben zu bewegen. So können wir vielleicht zum Mitstickern bewegen…

Gerne übt sich der ein oder andere im Malen. Ob das Motiv nun gut gewählt ist, bleibt Ansichtssache. Fest steht, dass es an Ideen nicht mangelt. Unten sehen wir eine Auswahl einiger Werke, die in der Mädchentoilette des Alt- und Neubaus gefunden wurden. Eine Schülerin setzte scheinbar ganz auf weihnachtliche Motive wobei sie die Toilettentür mit einem Rentier und Weihnachtself verschönerte; natürlich mit Goldstift gezeichnet. Auch die Abbildung 5 fällt einem sofort ins Auge. Mit 6 Strichen und der Verbildlichung einer Hinterlassenschaft, die in der Toilette landen soll, ist das Wesentliche des Aufenthalts schnell abgebildet. Stilisiert und ganz genau auf den Punkt gebracht. Wenn man mal schlechte Laune hat, dann kann es aber auch passieren, dass ein Mittelfinger zu den Kritzeleien dazukommt. Dass dies nicht zielführend ist, ist klar, aber besser man lässt seine Wut so raus, als zu randalieren oder Vandalismus zu betreiben. Das können wiederum andere Kandidaten ganz gut.

Am deutlichsten wird der Unterschied zwischen Mädchen und Jungen wohl erst, wenn man deren Toiletten-Räume vergleicht. Dass die Unisex-Toilette von dem männlichen Geschlecht mutwillig beschädigt wurde, mag nur eine These sein, doch betritt man deren Toilette im Neubau neben dem Lehrerzimmer, so scheint diese sich zu bewahrheiten. Ein großes Loch mitten in der Kabine führt ins Leere und wirkt nicht gerade einladend. Auch beim Entfernen der Wand haben die Schüler (und ich gender hier bewusst nicht) ganze Arbeit geleistet. Kein Wunder, dass in der Ecke des riesigen Loches der Satz “Reicht auch” zu lesen ist. Dass man dies wohl kaum Auslebung der Kreativität sondern Vandalismus nennen muss, ist dann doch eindeutig klar.

Wir befinden uns immer noch in der Schule und die Tatsache, dass wir jeden Tag bewertet werden, färbt wohl ab, denn Ranglisten gibt es nicht zu knapp. Aus Respekt vor den Lehrkräften wird die Rangliste der vermeintlich “hässlichsten” Lehrer nicht veröffentlicht, zumal das Wort “hässlich” in jedem Fall vermieden werden sollte. Interessanter wird es aber bei den scheinbar gutaussendenden Lehrern. Dass diese Liste auf der Mädchentoilette zu finden ist, braucht wohl gar nicht mehr erwähnt zu werden. Wer den Titel nun gewonnen hat, ist unklar, da mehrere Schülerinnen ihren Senf in Form von Strichen dazugegeben haben. Doch Herr Kolb, Herr Wolf und Herr Hellwig scheinen so manche Schülerin mit ihrem Antlitz zu begeistern. Auch bleibt zu klären, wer der “hotteste” Avenger ist. Immerhin hier tragen Bucky Barues, Thor und Iron Man ganz klar den Sieg davon. Zuletzt wurde eine Strichliste mit den “coolsten” Schüler*innen begonnen, doch bevor auch nur einer die Chance bekam, seinen Namen einzutragen, wurde groß “Frau Fleischer” darübergeschrieben. Auf diesen Titel kann man sicher stolz sein, auch wenn man eigentlich ein Lehrer und kein Schüler ist. Inwiefern derartige Strichlisten sinnvoll sind, sei dahingestellt. Fakt ist, dass sich wohl jeder amüsiert, der sie zu Gesicht bekommt.

Was sich mir immer noch nicht ganz erschlossen hat, ist, warum der Name Tom Holland so oft auf den Toiletten auftaucht. Nachdem ich den Namen gegoogelt hatte, wusste ich immerhin, dass er Schauspieler ist und durch die Spiderman Filme bekannt wurde. Doch warum diese Verehrung? Am Aussehen kann es wohl kaum liegen, wenn er dieses immer hinter einer blau-roten Maske versteckt, oder? Fest steht, dass er im Sturm sämtliche AGD-Herzen erobert zu haben scheint. Da haben andere Schauspieler wohl keine Chance…

Obwohl viele der Werke sehr ansprechend sind und so manch einen zum Schmunzeln bringen, gibt es nur wenige Schüler*innen, die sich wirklich Mühe gegeben haben. An dieser Stelle ist es durchaus berechtigt zu fragen, warum eine Schülerin die Motivation aufbringt, mehrere Minuten lang freiwillig auf einer Toiletten-Kabine zu verharren, um sich künstlerisch auszutoben? Worin besteht der Reiz? Vielleicht es es genau das, was Kunst ausmacht. Sie taucht an den ungewöhnlichsten Orten auf, erstaunt ihren Betrachter und regt diesen zum Nachdenken an. Meist sind die Zeichnungen nämlich noch mit Denkanstößen untertitelt. Dies ist die Toiletten-Poesie, die den Aufenthalt auf der Toilette spannender gestaltet. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Poet*innen die sich auf den Wänden verewigen!

Hier eine Auswahl von, wie es die meisten nennen würden, Schmierereien, die sich hauptsächlich auf den Jungs-Toiletten befinden. So manch einer übt sich auf kleiner Wand im Taggen. Wenn man noch nachträglich vom Mathematik-Unterricht inspiriert ist, dann kann es schon mal vorkommen, dass die Wand um einige Zahlen bereichert wird, wie man unten sehen kann. Am tiefgründigsten ist wohl noch der Spruch “music connects people”, der um eine Zeichnung ergänzt wurde. Wir können also festhalten: nicht jede Kritzelei ist unbedingt ein Kunstwerk, das in einer Ausstellung zu finden sein sollte; und doch muss man sich immer vor Augen führen, was sich die Schüler*innen gedacht haben, als sie sich auf der Wand verewigten…

Auch politische Sprüche finden sich an den Wänden der Toilettenkabinen wieder. “Kämpf für Frauenrechte” bedeckt einen Großteil der Wand. Gerade jetzt ist es wichtig, auf Themen wie Feminismus hinzuweisen, um jeden dafür zu sensibilisieren. Doch auch die Demonstration “Black Lives Matter” sorgt unter Jugendlichen für große Aufmerksamkeit. Die hochgereckte Faust befindet sich auf den Mädchentoiletten im Erdgeschoss des Neubaus und ist das Symbol der Anti-Rassismus-Bewegung. Schließlich entdeckt man an den Wänden auch parteipolitische Sprüche die sich gegen Parteien mit antidemokratischem und rassistischem Weltbild richten. Ich finde es sehr begrüßenswert, wie die Toiletten dadurch zum Sprachrohr werden: “Engagiert und setzt euch ein; für eure Mitmenschen und deren Wohlergehen!”

Wenn die Toilette zum Ort des Austausches wird: im Folgenden sieht man, dass Schüler*innen nicht nur füreinander, sondern auch miteinander, die Wände um zahlreiche Texte erweitern. Es sei dahingestellt, ob negative Aspekte des Namens Kevin nun das Top-Thema zum Diskutieren sind. Das eigentlich Wichtige ist doch, dass wir über die Mindmap miteinander ins Gespräch kommen, wenn auch auf schriftlichem Wege. Und doch kann man das, was hier stattfindet, schon als Kommunikation bezeichnen. Ich habe lange überlegt, ob ich das Bild auf der rechten Seite auch mit reinnehmen soll und habe mich dann doch dafür entschieden, da ein wichtiges Thema angesprochen wird. Hier geht es um eine Person, die nach Strategien gegen Selbstverletzung fragt; ohne Zweifel ein sehr sensibles Thema, das uns aber geradezu auffordert, darüber zu sprechen, denn wenn wir es als Tabuthema behandeln, dann kann das Problem auch nicht aus der Welt geschafft werden. Die Nachricht an der Wand ist ein Hilferuf und es ist schön mit anzusehen, wie viele darauf reagieren und versuchen, ihrer anonymen Mitschülerin Ratschläge zu erteilen, um ihre Situation zu verbessern. Auch wenn es sich bei solchen Themen immer empfiehlt, mit Eltern oder Freunden zu sprechen, ist es manchmal leichter, zuerst anonym mit jemandem in Kontakt zu treten. Wir sehen also, dass Kommunikation auch auf schriftlichem Wege stattfinden kann. Ermutigt euch weiterhin gegenseitig, denn das stärkt nicht nur das Miteinander, sondern jeden einzelnen von euch.

Manchmal braucht es nur wenig, um viel zu sagen. Deswegen lasse ich die restlichen Bilder für sich sprechen und auf ihre eigene Art wirken.

Abschließend senden euch die Schüler*innen ganz viel Liebe mit ihren Herzmotiven, die auch oft zu entdecken sind. Das zeugt doch von einer gesunden Schulgemeinschaft, die sich gegenseitig positive Energie spendet. In diesem Sinne kann man wohl sagen, dass die Zeichner Sieger der Herzen sind.

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