Vom Glück zu Lehren – eine Art Lehrertagebuch
Vom Glück zu Lehren – eine Art Lehrertagebuch

Vom Glück zu Lehren – eine Art Lehrertagebuch

Seit ich Lehrerin bin, gibt es kaum ein Gespräch mit Nichtkolleg*innen, das nicht mindestens eine Fehlannahme über das Leben einer
(Vollzeit-)Lehrkraft beinhaltet. Meist wird neidisch auf die ‚vielen Ferien‘, die ‚freien Nachmittage‘ oder das ‚gute Gehalt‘ hingewiesen. In der Kommunikation mit Eltern und Schüler*innen kommt es häufig zu Konflikten, weil man trotz der oben genannten ‚Vorteile‘ des Lehrberufs, keinen schnellen Termin für ein Elterngespräch, zum Nachschreiben einer Klassenarbeit oder für die Empfehlungsschreiben findet. Ich glaube, dass viele dieser Kommunikationsprobleme auf eine fehlende Perspektive zurückzuführen sind, die ich hier gerne und ggf. stellvertretend für ein paar Kolleg*innen eröffnen möchte.

Zunächst ein paar Zahlen:
Derzeit habe ich eine volle Stelle, das bedeutet 26 Unterrichtsstunden. Was zunächst wenig klingt, wird sich als ganz schön wochenfüllend herausstellen. In meinem ganz konkreten Fall bedeutet das, dass ich das Glück habe als Klassenlehrerin mit 4 Stunden in Mathematik, 2 Stunden Politische Bildung (PB) oder Geschichte und einer Klassenlehrer*innenstunde in meiner Klasse zu sein. Ebenfalls, jeweils 4 Stunden, unterrichte ich in zwei neunten Klassen Mathematik; 5 Stunden die Woche darf ich mit meinem Leistungskurs verbringen; 2 Stunden mit dem Wahlpflichtkurs und 3 weitere mit meinem Grundkurs Geschichte. Wer mitgerechnet hat, dürfte bemerkt haben, dass noch eine Stunde fehlt: Die habe ich für meine AGs und Projekte (Lesekreis, Zeitung, Schüler*innenhaushalt und eigentlich die Kunst-AG, die dieses Jahr aber wegen Terminkollisionen ohne mich auskommen muss).

Zu diesen Klassen und Kursen gehören natürlich jeweils Menschen, also Kinder, denen ich gerne gerecht werden möchte. In diesem Schuljahr habe ich das Glück, 135 Schüler*innen in Mathematik und/oder Geschichte/PB unterrichten zu dürfen. Heißt aber auch: 135 Personen, die von mir bewertet werden müssen, die bei mir Arbeiten oder Tests schreiben. Bei jeweils 4 Klassenarbeiten plus 2 KSLs pro Kind in Mathematik in der Mittelstufe, 4 Klausuren im Leistungskurs, 2 Klausuren im Grundkurs, 2 KSLs in Geschichte/PB und 2 Klassenarbeiten und 2 KSLs im Wahlpflicht, komme ich auf rund 770 zu korrigierende Arbeiten in diesem Schuljahr (ohne Hausaufgaben, Projektaufgaben o.ä.). Im Schnitt scheint mir eine halbe Stunde pro Arbeit eine angemessene Korrekturzeit zu sein, womit ich etwa 385 Stunden mit der Korrektur von verpflichtenden Schüler*innenarbeiten beschäftigt bin. Rechnerisch wären das 16 Tage Korrektur – wohlgemerkt ohne Schlaf, Essen oder Unterricht. Realistisch verteilt sich diese Korrektur auf die Phasen im Jahr, in denen tatsächlich Arbeiten geschrieben und korrigiert werden, also ohne die Sommerferien inkl. den zwei Wochen davor (wegen Notenschluss und Zeugniskonferenzen) und ca. 2 Wochen danach. Es bleiben grob 44 Wochen im Jahr und in meinem Fall etwa 8,75 Stunden, die ich in der Woche mit Korrekturen verbringen dürfte, wenn sie gleichmäßig über das Jahr verteilt anfallen würden. (Wohlgemerkt habe ich als Hauptfachlehrkraft damit relativ wenig Schüler*innen, Kolleg*innen, die beispielsweise hauptsächlich Kunst unterrichten, kommen spielend auf über 300 zu unterrichtende und zu bewertende Kinder im Schuljahr.)

Doch zum Glück besteht mein Alltag als Lehrkraft nicht nur aus Unterrichtsstunden in der Schule und den Korrekturen von Arbeiten. Während Aufsichten oder Vertretungen darf ich Kinder aus anderen Lerngruppen kennenlernen und ggf. an die Einhaltung der Schulregeln erinnern. Auf den regelmäßig stattfindenden Fach-, Gesamt- oder Zeugniskonferenzen kann ich mich mit meinen Kolleg*innen über Belange der Fächer, der Schule oder aber der Noten der Kinder austauschen. Wenn man wie ich das große Vergnügen hat, Klassenlehrerin einer lebhaften 10. Klasse zu sein, kommen einige Elterngespräche und/oder Klassenkonferenzen zur Abwechslung des Alltags hinzu und als Klassenlehrerin und Tutorin wache ich über Fehlzeiten, Entschuldigungen und Beurlaubungen von 35 Kindern.

Damit wären die Rahmenbedingungen meiner Arbeit grob beschrieben, aber was diese im Detail ausmacht, wird vielleicht deutlich, wenn ich im Folgenden die abwechslungsreichen Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts schildere. Ich versuche mich an einer Art öffentlichem Tagebuch des zweiten Halbjahres.

Für mich begann das zweite Halbjahr leider nicht so energiegeladen, wie erhofft. Bereits am Sonntag beschlossen meine Mandeln, mich und meine Stimme lahm zu legen. Anstatt unseren neuen Stundenplan in der Praxis kennenzulernen oder am Dienstag und Mittwoch, wie geplant streiken zu können, hütete ich trotz Antibiose eine Woche lang das Bett und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen den Kolleg*innen und vor allem den Schüler*innen gegenüber.

So, 12.02.23: Wie viele andere Berliner*innen habe ich an diesem Tag selbstverständlich meine Stimmen zur Wahl des Abgeordnetenhauses abgegeben. Danach hieß es: Unterricht für den kommenden Tag planen und die Abgaben im Lernraum, die von den Schüler*innen hochgeladen wurden, korrigieren, damit ich meinen Unterricht entsprechend planen kann. Im Anschluss habe ich eine große Tabelle mit den Zahlungen der Eltern und Kolleg*innen für die Gedenkstättenfahrt gefüllt und mit den realen Kosten verglichen, damit ich demnächst die Abrechnung einreichen kann und alle Beteiligten ggf. Geld zurückerhalten. Auf einmal ist es bereits kurz vor Mitternacht und ich versuche noch genügen Schlaf für die neue Woche zu bekommen.

Mo, 13.02.23: Endlich wieder in der Schule: Erstmal das Postfach sichten und feststellen, ob auch ja keine gravierenden Informationen dazugekommen sind. Leider fehlt ein Kind aus der oben genannten Gruppe, für die ich (bürokratisch) verantwortlich bin, weiterhin in dem immer selben Fachunterricht. Hierzu wird wohl ebenfalls ein Elterngespräch nötig sein. Schnell versuchen, die besten Termine für Klassenarbeiten im zweiten Halbjahr in den Kalender einzutragen, damit ich keiner Klasse zwei Arbeiten/KSLs in zu kurzem Abstand aufbürden muss – gerade im ‚kürzeren‘ Halbjahr mit seinen Feiertagen und den zahlreichen Prüfungstagen für Abitur und MSA, ist das keine leichte Aufgabe. In den ersten beiden Stunden dann den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung mit meinem LK kennenlernen. In der 5-Minuten-Pause zwischen den Stunden die Entschuldigungen der Schüler*innen unterschreiben und in mein Tutorenheft übertragen. Nach der Doppelstunde auf in die Aufsicht von Lesegarten und Sportplatz. Danach PB mit meiner Klasse, aber bevor wir beginnen können, heißt es Zeugnisunterschriften prüfen, Kurswahl und Infoblätter einsammeln und Termine für den Elternsprechtag vereinbaren – einige Kinder haben zwar ihr Zeugnis unterschreiben lassen, leider aber das Beiblatt vergessen, andere haben ihre Kurswahlzettel unterschrieben, aber weder Zeugnis noch die Kenntnisnahme der Regellungen für die Oberstufe dabei. Etwa ein Drittel meiner Stunde muss ich diesen organisatorischen Dingen opfern, ehe wir uns der Aufarbeitung der Missverständnisse aus dem Vertretungsunterricht der letzten Woche widmen können. Nach der großen Pause folgte eine Stunde mit einer meiner neunten Klassen, die ich aufgrund der Betriebspraktika der Schüler*innen seit Anfang Januar nicht mehr gesehen habe. „Nein, die KSL kann ich leider noch immer nicht zurückgeben, da noch zwei Schüler*innen nachschreiben müssen.“  Diese Termine müssen zunächst verabredet und zeitlich untergebracht werden – wir haben eine Idee; jetzt muss ich nur noch die Kollegin fragen, ob ich die betreffenden Schüler*innen aus ihrem Unterricht nehmen kann, damit diese in meiner Freistunde ihre KSL nachschreiben können. Als ich aus dem Raum trete, treffe ich meine Klasse an und nutze die Zeit, um kurz abzufragen, wer Interesse daran hat, am Känguru-Wettbewerb teilzunehmen. Danach zur Schulleitung, die um ein Gespräch gebeten hat und zu Frau Esders, bei der ich noch eine Unterschrift zu leisten habe, da die Prüfungssemester für die potentielle mündliche Nachprüfung eines Prüflings von mir abgesegnet werden sollten. Anschließend versende ich schnell eine Antwortmail an den Schüler*innenhaushalt und melde uns statt für den morgigen Tag für den Dienstag in der kommenden Woche für die digitale Auftaktveranstaltung an. Morgen ist Studientag. Es folgt die Grundlage dieses Artikels: Unsere Schüler*innenzeitungs-AG-Sitzung im digitalen Atelier, die aus zeitlichen Gründen (der Blick auf die Uhr verrät: Es ist bereits nach 16 Uhr) nun beendet werden muss.
Nachtrag: Kaum im Lehrer*innenzimmer angekommen, erhalte ich eine weitere Nachricht: Ein Zeugnis meines Tutanden musste geändert werden und entsprechend wird meine Unterschrift verlangt, also wieder zurück in den Verwaltungstrakt. Zu Hause angekommen, galt es sich auf die kommenden Tage Unterricht vorzubereiten. Um kurz nach 22 Uhr erreicht mich die Mail eines Vaters mit der Bitte um einen Termin für den kommenden Elternsprechtag. Ich antworte und biete einen der wenigen verbleibenden Plätze an.

Di, 14.02.23: Heute haben wir Studientag. Für die Schüler*innen bedeutet das in der Regel einen freien Tag bzw. freie Zeiteinteilung bei der Bewältigung von Aufgaben; für uns Lehrkräfte heißt es aber Austausch und Arbeit an der Vernetzung der Fachbereiche. Ich fand mich, nach einem fachlich fundierten und gewohnt eloquenten Einführungsvortrag von Frau Lorenzen, in meiner Arbeitsgruppe der Gesellschaftswissenschaften wieder, in der uns Herr Bäther die Ziele unseres Fachbereichs für den heutigen Tag verdeutlichte und schlussendlich befand ich mich in einer Kleingruppe, die sich mit der PibF (Prüfung in besonderer Form) im MSA beschäftigte. Etwa zwei Stunden steckten wir unsere Köpfe zusammen und versuchten uns an der Formulierung einer Handreichung für die Schüler*innen, die häufige Fragen zur Präsentationsprüfung vorentlastend beantworten soll. Anschließend bemühten wir uns, unser Ergebnis den Kolleg*innen zu präsentieren. Zwischendurch schickte ich einer Kollegin die Kontaktdaten von dem oben schon erwähntem Schützling, der auch versäumt hatte, seine Zahlungen für den Ruderkurs zu überweisen. Nach dem erfolgreichen Studientag inspizierte ich noch mit einem Kollegen mögliche Standorte für die vom Schüler*innenhaushalt beschafften Bänke; nachmittags und abends wieder Unterrichtsvorbereitung für den kommenden Tag, natürlich inklusive Beantwortung der angefallenen Mails.

Mi, 15.02.23: Heute hieß es: Doppelstunde Wahlpflicht Mathematik, dann eine Stunde mit der 9. Klasse, eine Freistunde und eine vorgezogene Stunde mit der anderen 9. Klasse, gefolgt von Mathe mit meiner eigenen Klasse und einer Einzelstunde mit meinem hochgeschätzten Geschichtsgrundkurs – inhaltlich ein Ritt durch Aussagenlogik, Statistik, Kombinatorik, die Berlin-Blockade und Luftbrücke. Abends ging es zur Mitgliederversammlung der Gewerkschaft des Bezirks, wo wir neben dem Vorstand auch die Delegierten für die Landesdelegiertenversammlung wählten. Wieder zu Hause angekommen hieß es: ab an den Schreibtisch und Unterricht vorbereiten.

Do, 16.02.23: Der heutige Tag bestand aufgrund des am Abend stattfindenden Elternsprechtages aus Kurzstunden – eine Situation, die bei Lehrkräften, wie Schüler*innen immer wieder zu verwirrenden Fragen, wann denn nun die Pause ist und in welchem Mittagsband man sich nun befindet, führt. Nach dem entsprechend kürzeren Tag konnte ich kurzfristig ein Elterngespräch vorverlegen und mich knapp eine Stunde mit den Eltern und einem Kind aus meiner Klasse über dessen schulische Entwicklung unterhalten. Die Pause vor dem eigentlichen Beginn des Elternsprechtags nutzte ich, um dringend benötigte Einkäufe zu erledigen und um 17:30 Uhr traf ich die ersten Eltern und Schüler*innen. Im ambitionierten 10-Minuten-Takt versuchen wir den Belängen der Schüler*innen und/oder Fragen der Eltern gerecht zu werden. Dies führte leider auch bei mir an diesem Tag zu einigen Verzögerungen – glücklicherweise haben die anwesenden Eltern und Kinder ganz solidarisch getauscht, vorgelassen oder flexibel reagiert, sodass ich, als ich um 20:45 Uhr die letzten und sehr geduldigen Eltern und Kinder verabschiedete, viele gute und hoffentlich zielführende Gespräche geführt hatte.

Fr, 17.02.23: Die Woche endet, wie sie angefangen hat: Mit einer Doppelstunde Mathematik LK starte ich in meinen Freitag. Gefolgt wird diese von einer Stunde Mathematik in meiner Klasse, einer Doppelstunde Geschichte und einer Stunde in einer meiner 9. Klassen, die stets hocherfreut über Mathematik in der 7. Stunde sind.

Mo, 20.02.23: Einigermaßen müde starte ich in die neue Woche. Leider habe ich mich in der Unterrichtsvorbereitung und vor allem Klausurkonzeption meines LKs so vertieft, dass aus dem Sonntagabend bereits Montagmorgen geworden war und so begrüße ich meine ebenfalls müden LK-Schüler*innen mit etwas weniger kleidsamen Augenringen. Von ehemaligen Abituraufgaben zur Klausurvorbereitung wechsel ich inhaltlich in der darauffolgenden Doppelstunde zu Vor- und Nachteilen der Zentralverwaltungswirtschaft und der freien Marktwirtschaft, um daraufhin mit der 9. Klasse die Tücken manipulierter Graphiken zu untersuchen. Nach einer Freistunde versuche ich in der AG die richtigen Worte für diesen Artikel und unsere Frage der Woche zu finden. Abends setzte ich mich wieder an die Konzeption der LK-Klausur, die so langsam Gestalt annahm.

Di, 21.02.23: Nach meinem üblichen Stundenprogramm fand ich mich heute um 12:45 Uhr in der Mediothek ein, um mit den neuen Mitstreiter*innen des Koordinationsteams des Schüler*innenhaushalts an der digitalen Auftaktveranstaltung desselben teilzunehmen. Zwei Stunden verbrachten wir gemeinsam vor dem Tablet sitzend in unterschiedlichen Gruppenarbeitsräumen und danach mit der Beschriftung von Plakaten, der Vorbereitung des Kartons zum Sammeln der Vorschläge und dem Verteilen derselben im Haus. Die Schüler*innen überlegten, dass sie dieses Jahr gerne versuchen würden, über die Sprechanlage die Schulgemeinschaft daran zu erinnern, dass die Vorschläge bis zum 17.03. eingereicht werden können und besprachen diese mit der Schulleitung. Meinen Abend verbrachte ich erneut mit der LK-Klausur, da die Aufgaben nicht nur ausgesucht, zusammengestellt und in einem einheitlichen Format zusammengestellt, sondern auch durchgerechnet und mit einer angemessenen Punktzahl versehen werden müssen.

Mi, 22.02.23: Dieser Mittwoch hatte es in sich. Neben meinen üblichen Unterrichtsstunden hatte ich geplant, zwei lange aufgeschobene KSLs nachschreiben zu lassen. Ein Kollege hatte ebenfalls Kinder, die eine Klassenarbeit nachschreiben mussten und so wollte ich mich in der 4. Stunde mit diesen in die Mediothek setzen und ihnen endlich die Gelegenheit geben, ihr mathematisches Können zu beweisen. Leider kamen ausgerechnet meine zwei Kandidat*innen mit einer halben Stunde Verspätung, weshalb wir erneut umdisponieren mussten, denn ich musste in der 5. Stunde zur Vertretung in eine 7. Klasse (ursprünglich wäre ich sogar zeitgleich in einer Klausuraufsicht gewesen). Danach folgte mein üblicher Unterricht, nur auf meinen Grundkurs musste ich verzichten, da die Oberstufe an diesem Tag Leistungskursklausuren schrieb. Gleichzeitig konnte ich diese Stunde gut nutzen, um das Material für die AG auszuwählen und zu kopieren. Nach der 8. Stunde konnte ich endlich mal wieder eine Sitzung mit dem philosophisch-feministischen Lesekreis verbringen. Wir lasen Lyndal Ropers Ausführungen zu Männlichkeit in der frühneuzeitlichen Stadt und um 18 Uhr verließ ich die Schule.

Do, 23.02.23: Der Donnerstag ist einer meiner ‚späten‘ Tage, da mein Unterricht erst in der 5. Stunde beginnt. Nach meinem ‚kurzen‘ Tag verbrachte ich die Zeit in der Schule mit dem Druck der Klausuren für den kommenden Tag und dem Versuch, meinen Platz im Lehrer*innenzimmer weiter aufzuräumen. Von 18 bis 20 Uhr hatte ich eine Sitzung des Bezirksausschusses für pädagogisches Personal in der zugigen Mensa der J. F. K.-Schule.

Fr, 24.02.23: Nach diversen Stunden, die ich mit der Konzeption der Leistungskursklausur und deren Erwartungshorizont verbracht habe, wird sich heute zeigen, wie gut meine Schüler*innen mit den für sie ausgewählten Aufgaben zurechtkommen. Die ersten beiden Stunden konnte ich noch bei Ihnen sein, danach musste ich zur Vertretung in meine eigene Klasse und überließ meine 14 LKler*innen in der Obhut eines geschätzten Kollegen. Während die Schüler*innen am MiHiMi-Teil der Klausur arbeiteten, konnte ich bereits mit der Korrektur des OHiMi-Teils beginnen und mich stellvertretend für die Schüler*innen über die unterlaufenen Flüchtigkeitsfehler ärgern. Nach den ersten vier Stunden, bestehend aus Klausur und Mathematik in meiner Klasse musste ich gezwungenermaßen auf den Unterricht mit meinem Grundkurs verzichten, da dieser z.t. noch in Leistungsklausuren saß. So verbrachte ich zwei Stunden mit Warten und Korrigieren auf meine letzte Stunde in der 9. Klasse. Anschließend lockte das Wochenende und die Berliner Stadtautobahn, auf der ich freitags auf dem Weg in meine Wahlheimat in der Regel viel Zeit habe, die Stadtsilhouette zu bestaunen.

An dieser Stelle möchte ich mein Tagebuch schließen, auch wenn viele Aspekte meines Lehrerinnenlebens in diesen zwei Wochen kaum vertreten waren. Die großen Korrekturberge beginnen jetzt zu entstehen, zu wachsen und zum Glück auch wieder zu schrumpfen. Die kurzen Gespräche auf dem Flur oder Hof mit Schüler*innen, die auf der Suche nach einer betreuenden Lehrkraft für die 5. Prüfungskomponente im Abitur oder die Präsentationsprüfung im MSA sind oder ‚kurz‘ beraten werden wollen und müssen, fehlen in meiner Beschreibung gänzlich. Wenn ich meine kommenden Wochen betrachte, dann gibt es kaum eine ohne Sonderveranstaltung oder Termin. Der Q4-Grundkurs einer geschätzten Kollegin wird ihr Stück aufführen, ebenso die eine 9. Klasse, in der ich unterrichte. Auch eine Gesamtkonferenz ist in Kürze anberaumt und die nächsten Fachkonferenzen stehen ebenfalls im Kalender. Des Weiteren sind einige Termine für Elterngespräche oder die Betreuung unseres Schüler*innenhaushalts bereits vereinbart und bestimmt vergesse ich auch jetzt, übrige Termine aufzuzählen, die den vielleicht eintönig wirkenden Wochenrhythmus unter dem Diktat des Stundenplans auflockern.

Wer nach der Lektüre den Eindruck haben sollte, dass mein Beruf einen starken Einfluss auf mein Leben hat, da ich irgendwie nicht nur “vormittags Recht und nachmittags frei” habe, sondern den Großteil meiner Zeit mit schulbezogenen Aktivitäten beschäftigt bin, liegt gar nicht mal so falsch. Ich möchte aber betonen, dass ich damit keine Ausnahme, sondern die Regel darstelle. Viele Kolleg*innen haben ebenfalls korrekturintensive Fächer, sind engagiert in Gremien, AGs oder haben in besonderen Funktionen Verantwortung für die Schule übernommen – sei es als Fach(konferenz)leitung, als Mediator*in, als Brandschutzhelfende oder deren Obmann. Oft ist auch uns Kolleg*innen gar nicht bewusst, was die einzelnen Projekte für zusätzliche und oft unsichtbare Arbeit mit sich bringen, die die meisten gerne auf sich nehmen, um ihre Schüler*innen gut zu begleiten und ihnen immer wieder etwas anderes neben dem Unterricht zu bieten, aber auch Kolleg*innen zu unterstützen und unsere Schule zu einem noch schöneren Ort zu machen. Auch die weniger schönen Momente des Berufs, wenn man Klassenkonferenzen einberufen und durchführen oder ein notwendiges, aber vielleicht nicht nur angenehmes (Eltern-)gespräch führen muss, gehen zu Lasten der eigenen Freizeit – oder dazu, dass der eigene Haushalt wieder etwas länger auf die geputzten Fenster, sortierten Unterlagen o.ä. warten muss.

Wenn mein Artikel stellenweise ein wenig sarkastisch klingt, so liegt das nicht daran, dass ich unzufrieden mit meinem Beruf wäre, es ist der schönste, den ich kenne und der einzige, den ich ausüben möchte. Ich bin froh, so viele wunderbare Menschen auf ihrem Weg begleiten zu dürfen und ihnen dabei hoffentlich solide Grundlagen in meinen Fächern vermitteln zu können. Kaum ein anderer Beruf ist wohl so abwechslungsreich und im wahrsten Sinne des Wortes ‚belebt‘ wie dieser. Dennoch frustrieren mich die eingangs erwähnten Wahrnehmungen dieses wahrlich einnehmenden Berufs, denn ich habe zwar vielleicht von 8 bis 15 Uhr Recht, aber danach noch lange nicht frei. Lehrkraft ist mehr als ein Beruf; bei den allermeisten von uns ist es eine Berufung!

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